Problematik

Verhalten von Rehkitzen

Jeden Frühsommer werden in der Schweiz ca. 2'000 Rehkitze durch Mähmaschinen getötet. Obschon die zwischen Mitte Mai und Mitte Juni geborenen Jungtiere bereits wenige Stunden nach der Geburt gehen können, verbringen sie die ersten Lebenswochen meist in eingerollter Bauchlage verborgen am Boden liegend. Die Rehgeiss setzt ihre Kitze jeweils für mehrere Stunden in einer hohe Wiese ab, worauf sich die Kitze selbständig verstecken.

Diese Verhaltensweise dient der effizienten Feindvermeidung und schützt gleichzeitig vor unnötigen Energieverlusten durch Fluchten. Da Rehkitze in den ersten Lebenswochen so gut wie keinen Eigengeruch haben und durch ihr bräunliches Fell mit weissen Tupfern bestens getarnt sind, bleiben sie im hohen Gras vor Raubtieren geschützt. Bei Gefahr, wahrgenommen in Form von Bewegungen, Lärm oder fremden Gerüchen, zeigen Rehkitze bis zu einem Alter von drei bis acht Wochen kein Fluchtverhalten, sondern bleiben selbst vor herannahenden Mähmaschinen regungslos und geduckt in Deckung liegen.

Entstehende Probleme

Für die Fahrer moderner Mähmaschinen mit Fahrgeschwindigkeiten bis zu 20 km/h sind versteckte Rehkitze in aller Regel unsichtbar. Die getöteten und verstümmelten Rehkitze sind in dreierlei Hinsicht problematisch. Zum einen sollte das bei Mensch und Tier durch das Vermähen eines Kitzes verursachte Leid aus moralischen Gründen verhindert werden. Zum andern sind getötete Kitze eine wirtschaftliche Gefahr, können doch Giftstoffe aus Rehkitzkadavern das Viehfutter verunreinigen und die Leistung von Milchkühen beeinträch-tigen. Zu guter Letzt kann ein bereits als Kitz getötetes Reh später nicht bejagt werden.

Bisherige Lösungsansätze

Bislang wird versucht, Rehkitze durch das sogenannte Verblenden zu vertreiben oder mittels verschiedener Suchmethoden vor der Mahd aufzuspüren und zu retten.

Beim Verblenden werden am Vortag der Grasernte Objekte im Feld platziert, die Rehgeissen stören und mitsamt dem Nachwuchs vertreiben sollen. Zum Einsatz kommen Baustellen-lampen, Radios, Fahnen aus Bettlaken oder Müllsäcken, Luftballons oder abschreckende Duftstoffe. Die Installation muss am Vorabend der Mahd erfolgen. Das längerfristige Verblenden eines Feldes ist nicht möglich, da sich Rehe schnell an fremde Objekte gewöhnen.

Ist das Verblenden aus zeitlichen oder organisatorischen Gründen nicht möglich, kann das Feld unmittelbar vor dem Mähen manuell abgesucht werden. Dazu sind entweder speziell ausgebildete Jagdhunde oder aber eine grössere Personengruppe notwendig, die das Feld in dichten Reihen abschreitet und nach Kitzen Ausschau hält. Gefundene Kitze werden, etwa in einer Holzkiste am Feldrand oder im nahen Wald, in Sicherheit gebracht.

Der manuellen Suche ähnlich ist die Suche mittels Infrarot-Wildretter. Die Augen eines menschlichen Suchtrupps werden dabei durch zehn Infrarotdetektoren ersetzt. Diese sind an einem fünfeinhalb Meter langen, horizontalen Teleskopbalken aus Aluminium montiert. Das Gerät mit einem Gesamtgewicht von 5kg wird von einer Person über das Feld getragen. Die batteriebetriebenen Infrarotsensoren registrieren die gegenüber dem Untergrund erhöhte Wärmestrahlung eines Rehkitzes und alarmieren den Träger akustisch.

Neuer Lösungsansatz

Die vorgestellten Methoden zum Vertreiben oder Aufspüren und Retten von Rehkitzen sind für die auf Geschwindigkeit ausgelegte moderne Landwirtschaft zu ineffizient und werden deshalb nicht flächendeckend angewandt. Erste Untersuchungen haben ergeben, dass die Ortung von Rehkitzen aus der Luft unter Einsatz einer Thermalkamera vielversprechende Ergebnisse liefert. Dieser Ansatz wird in der hier vorgestellten Masterarbeit weiterverfolgt.

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